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Keramik aus Österreich:
Aktuelle Tendenzen im MAK

Im Museum für Angewandte Kunst in Wien (MAK) ist bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate eine außergewöhnliche Ausstellung zum Thema Keramik zu sehen (...), und zwar Keramik als zeitgemäßes künstlerisches Medium. Eine in Wien lange vermißte und notwendige Auseinandersetzung mit dem Material und seinen Möglichkeiten wird damit in Gang gesetzt.

Diesmal sind es 5 Künstler, die ausgewählt wurden (Kuratorin Katja Miksovsky) und die tatsächlich eine große Bandbreite neuer und aufregender Aspekte erfassen, die nicht die längst verzichtbare Grenzziehung zwischen Kunst und Handwerk verfolgen, sondern Kreativität als Ausgangspunkt für beides definieren.
In diesem Kontext spielt das Material Keramik für sie eine neue Rolle – weniger starr in der Anwendung, dafür mit mehr Phantasie eingesetzt – irgendwie wird es als solches distanzierter wahrgenommen. (...)

Wilfried Gerstel zeigt eine Serie von 9 Wandreliefs, die er „Ein Nothelfer“ nennt.
Dieser Nothelfer ist kein anderer als Superman, wie wir ihn aus den Comics kennen, der „deus ex machina“ unserer Tage, bei dem die Menschen Zuflucht und eine Stütze für ihre Selbstsicherheit suchen. Er und seine Taten – inklusive Sprechblasen – werden aber in Beziehung gesetzt zu den Nothelfern früherer Tage, zu den Heiligen und Schutzpatronen.

Der Künstler greift auf das Mittelalter zurück, in der Gestaltung wird diese Welt mit Hilfe einer an die Romanik erinnernde Formensprache zitiert. Die Anleihen liegen in der flächigen Raumauffassung, in der Ausfüllung der Bildelemente, in der Ornamentik bestimmter Elemente wie Bäume oder Wolken und in der Simultanität der Handlung, aber auch in der scheinbaren Naivität der Erzählung, getragen von ungemein expressiven Menschen und Tieren.
Dabei entsteht die erste „Skizze“ auf dem Computer, wo real existierende Vorbilder gesammelt werden – dann erfolgt die Umsetzung in das Relief. Das Erstaunlich dabei ist, daß es Wilfried Gerstel gelingt, niemals den Eindruck einer Imitation aufkommen zu lassen, es ist eine voll bewußte Nachschöpfung aus der geistigen Haltung. Das drückt sich auch in der handwerklichen Fertigung aus: Die vergangene Welt ist aus unglasiertem Ton und wirkt schon dadurch archaisch. Superman aber tritt in Farben auf, die wir kennen – rot, blau und ein wenig gelb. Dazu wird eine bedruckte Folie auf den gebrannten Ton appliziert und das Wandbild dann bei niedrigen Temperaturen nochmals gebrannt.

Die Story ist ewig und doch sehr zeitgemäß: Superman kämpft gegen die Habgier der Menschen, beginnt aber an seiner Mission zu zweifeln „Dachte ich wirklich, ich könnte erfolgreich sein?“ und stirbt resignierend: „ Das Problem, sagte Pa (... das ist offenbar Gott...), ist der Mensch.“ sagt er.
Und damit wird wirklich etwas von der Verzweiflung und auch von der Hoffnung, die im Aberglauben (oder im Glauben) liegt, vermittelt. Beeindruckend. (...)

Dr. Charlotte Blauensteiner, freie Journalistin, in:
Kunsthandwerk & Design, Nr. 4, 2005

Kunsthandwerk & Design,  Nr.4, 2005

Keramik aus Österreich:
Aktuelle Tendenzen im MAK

Dr. Charlotte Blauensteiner, freie Journalistin, in:
Kunsthandwerk & Design, Nr. 4, 2005